Rosmarinöl gegen Haarausfall
Natürlich wirksam oder ein Social-Media-Trend?
In sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Erfahrungsberichte über Rosmarinöl als natürliches Mittel gegen Haarausfall. Längeres und dichteres Haar – ganz ohne chemische Zusätze, das klingt verlockend. Wie fundiert ist diese Hoffnung? Wir haben uns die wissenschaftliche Lage genauer angesehen.
Was verspricht Rosmarinöl in der Pflanzenheilkunde?
In der Pflanzenheilkunde wird Rosmarinöl schon seit Jahrhunderten eingesetzt. Folgende wichtige Eigenschaften werden Rosmarinöl unter Anderem zugeordnet:
- Durchblutungsfördernd
- Kreislaufanregend
- Entzündungshemmend
Diese Eigenschaften haben das Interesse an seiner möglichen Wirkung auf die Haargesundheit geweckt. Einige Produkte werben inzwischen mit diesem natürlichen Inhaltsstoff, als Alternative zu medizinischen Haarausfalltherapien.
Die Studienlage – was wissen wir?
Am häufigsten wird eine Studie aus dem Jahr 2015 (Panahi et al., publiziert in SKINmed) zitiert. Das ist aktuell die wichtigste und aussagekräftigste klinische Studie. In dieser Studie wurde die Wirkung von Rosmarinöl im Vergleich zu Minoxidil 2% untersucht. Minoxidil ist ein bewährter Wirkstoff gegen androgenetischen Haarausfall.
Die Studie umfasste 100 männliche Patienten, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Eine Gruppe verwendete 2x täglich Rosmarinöl, die andere Minoxidil 2% – über einen Zeitraum von sechs Monaten.
Aussagekraft der Studie
- Studiendesign
Die zitierte Studie war randomisiert (nach dem Zufallsprinzip zugeteilt) und einzelverblindet (nur eine Partei – Arzt oder Patient – weiss nicht, welchen Wirkstoff welche Gruppe erhält). - Studiendauer
Die Studiendauer von sechs Monaten entspricht dem Standard für Haarwuchsstudien – Veränderungen im Haarwachstum benötigen Zeit. - Keine Placebo-Kontrollgruppe
Es fehlte eine Placebo-Kontrollgruppe, das ist für die Aussagekraft von Relevanz. - Keine Frauen in der Studie
Die Teilnehmer waren ausschließlich Männer - Vergleich mit niedriger Minoxidil-Konzentration
Die angewendete Minoxidil-Konzentration von 2% ist wesentlich niedriger als die in der Praxis übliche Standarddosis für Männer (5%). - Zusammensetzung des Rosmarin-Präparates
In der Studie wurde ein Rosmarinöl-Präparat verwendet, welches in etwa 1% Rosmarinöl enthielt. Die genaue Rezeptur – verwendetes Trägeröl sowie die Konzentration des Rosmarinöls – werden in der Publikation nicht genannt. - Wissenschaftliche Einordnung
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift SKINmed veröffentlicht, deren Impact Factor 2023/2024 bei 0,26 lag. Der Impact Factor gibt an, wie oft die Artikel einer bestimmten Zeitschrift pro Jahr in einem Zeitraum von zwei Jahren zitiert wurden. Das ist im internationalen Vergleich niedrig. Die Fachzeitschrift liegt somit im unteren Viertel der Dermatologie-Zeitschriften
Unsere Einschätzung zu Rosmarinöl bei Haarausfall
Die aktuell vorhandenen Daten reichen nicht aus, um eine fundierte Empfehlung auszusprechen. Auch wenn erste Hinweise vielversprechend erscheinen, ist die vorhandene Datenlage zu schmal, um daraus eine klare medizinische Aussage zur Wirksamkeit bei Haarausfall abzuleiten. Die bisherigen Studien liefern erste Impulse, genügen jedoch aktuell nicht den Anforderungen einer evidenzbasierten Bewertung.
Es gilt immer: Natürlichkeit ist keine Garantie für Wirksamkeit oder Sicherheit. Insbesondere die fehlende Standardisierung und unklare Zusammensetzung des in der Hauptstudie verwendeten Präparates werfen Sicherheitsfragen auf – denn Rosmarin ist nicht gleich Rosmarin.
Solange keine aussagekräftigeren Daten vorliegen, sehen wir von einer Empfehlung von Rosmarinöl als Therapie gegen Haarausfall ab. Wir verfolgen die weitere Forschung auf diesem Gebiet jedoch mit großem Interesse.
Haarsprechstunde
Für eine individuelle Analyse möglicher Ursachen Ihres Haarausfalls und die Auswahl aktuell medizinisch gesicherter Therapieoptionen bieten wir in unserer Hautarztpraxis in 1010 Wien eine spezialisierte Haarsprechstunde an.
Alle Informationen dazu finden Sie auf unserer Seite Haarausfall stoppen.
*Titelbild mit KI generiert